Verlustaversion beim Anlegen und ihre finanziellen Folgen

Der Mensch neigt dazu, Verluste stärker zu fürchten als Gewinn zu feiern – das gilt auch beim Investieren in Aktien. Iwan Deplazes, Leiter Asset Management, nennt typische Anlagefehler und erklärt Absicherungsstrategien für Risikoscheue.

Iwan Deplazes, Leiter Asset Management der Zürcher Kantonalbank, in der Sendung «Geld» (Quelle: CH Media/Tele 1)

Martin Spieler: Anlegerinnen und Anleger reagieren bei Buchverlusten wesentlich sensibler als bei Buchgewinnen. Weshalb?

Eine mögliche Erklärung liegt wahrscheinlich in der evolutionären Geschichte des Menschen. In einer Umwelt, in der Ressourcen knapp waren, konnte die Fähigkeit, potenzielle Verluste zu erkennen und zu vermeiden, das Über­leben fördern. Dies könnte sich heute als Verlustaversion manifestieren. Auch auf hormoneller Ebene gibt es Studien, die darauf hindeuten, dass Stress­hormone, die bei Verlustängsten ausgeschüttet werden, das Anlageverhalten beeinflussen könnten.

Welche Konsequenz hat denn dieses Phänomen?

Viele Anlagefehler lassen sich auf das Phänomen der Verlustaversion zurück­führen. Dazu gehört etwa, dass Anlegerinnen und Anleger gar nicht investiert sein wollen, weil sie eben Verluste fürchten. Häufig zu beobachten ist auch, dass Aktien in Korrekturphasen überhastet verkauft werden oder dass Aktien in steigenden Märkten zu früh verkauft werden.

Was heisst es konkret, gar nicht investiert zu sein?

Dazu ein einfaches Rechenbeispiel. Wer 10'000 Franken während zehn Jahren auf dem Konto parkiert, mit einem jährlichen Zinssatz von einem Prozent, bekommt am Ende zirka 12'500 Franken. Die Aktienmärkte haben in der Vergangenheit im Schnitt rund acht Prozent pro Jahr abgeworfen. Hätte man also die 10'000 Franken in Aktien investiert, dann wären daraus nach zehn Jahren rund 18'000 Franken geworden.

Welche Möglichkeiten haben Privatanlegerinnen und -anleger eigentlich sich vor Wertverlusten zu schützen?

Hält man einzelne Aktien, kann man beispielsweise Put-Optionen kaufen. Damit lässt sich das Verlustrisiko begrenzen, zum Beispiel in einem Umfang von bis zu zehn Prozent. Dabei handelt es sich um eine Art Versicherung, die nicht gratis zu haben ist. Hinzu kommt: Je schwankungsanfälliger der Aktienmarkt ist, desto teurer sind solche Absicherungslösungen.

Welche Absicherungsmöglichkeiten bieten eigentlich Anlagefonds?

Gemischte Anlagefonds sind in der Regel breit diversifiziert, das heisst, sie investieren in verschiedene Industrien, Anlageklassen und Regionen. Dies bietet bereits eine gewisse Sicherheit. Darüber hinaus setzen Anlagefonds Derivate ein. Das können Privatanlegerinnen und -anleger eher weniger selbst tun. Es gibt auch die Möglichkeit, Anlagefonds zu kaufen, die das Währungsrisiko absichern.

 

Dieses Interview wurde erstmals in leicht veränderter Form in der Sendung «Geld» vom 10. Mai 2024 auf Tele 1, Tele M1 und TVO ausgestrahlt.

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