«Wer global investiert, hat deutlich höhere Rendite­chancen»

Ein diversifiziertes Portfolio bringt zwar Fremdwährungsrisiken mit sich, aber auch grösseres Renditepotenzial – eine Strategie, die sich bislang ausbezahlt hat. René Nicolodi, Leiter Aktien- und Themeninvestment, beleuchtet im Interview die Vorteile des diversifizierten Anlegens und worauf es zu achten gilt.

René Nicolodi im Gespräch mit Martin Spieler in der Sendung «Geld» (Quelle: CH Media/tele1)

Martin Spieler: In welchem Verhältnis stehen eigentlich Risiko und Diversifikation zueinander?

René Nicolodi: Im Grunde ist es simpel. Einzelanlagen haben zwar ein höheres Renditepotenzial im Vergleich zu einem gut diversifizierten Portfolio. Im Gegenzug sind die Verlustrisiken höher. Zwei Beispiele: Hätte man vor einem Jahr ausschliesslich in Genussscheine von Roche investiert, wäre die Anlage heute rund 15 Prozent weniger wert. Hätte man vor einem Jahr alles auf Logitech gesetzt, läge das Plus bei über 50 Prozent. Zum Vergleich: Der diversifizierte Schweizer Aktienindex SPI generierte über die vergangenen 20 Jahre eine durchschnittliche Rendite von 6,5 Prozent pro Jahr – und das bei deutlich tieferen Kursschwankungen. Nicht alle Eier in denselben Korb zu legen, ergibt somit aus Rendite-Risiko-Abwägungen durchaus Sinn.

Diversifikation bedingt, dass sich Anlageklassen nicht gleichförmig entwickeln. Was sagt diesbezüglich die Finanzmarktforschung?

Es gilt: Je niedriger die Korrelation zwischen zwei Anlageklassen, desto höher ist das Diversifikationspotenzial. Das hat beispielsweise von 2000 bis 2020 zwischen Anleihen und Aktien gut funktioniert. 2022 hat dieser Vermögensschutz indes nicht gewirkt, weil die Zinsen rasch gestiegen sind und somit Aktien und Anleihen gleichsam unter Druck gerieten. Korrelationen zwischen zwei Anlageklassen sind eben nicht in Stein gemeisselt. Vor diesem Hintergrund ist eine aktive Vermögensverwaltung auch wichtig, um Anpassung im Anlageportfolio quasi in Echtzeit vornehmen zu können.

Wie sieht denn ein optimal diversifiziertes Portfolio aus?

Die optimale Diversifikation gibt es per se nicht. Vielmehr muss sie auf die Risiko­bereitschaft, die Risikofähigkeit und den Anlagehorizont der Anlegerin bzw. des Anlegers abgestimmt sein. Wichtig ist, die Portfolios nach Marktveränderungen anzupassen. Besteht ein Portfolio beispielsweise zu 60 Prozent aus Aktien und zu 40 Prozent aus Anleihen, kann der Fall eintreten, dass der Aktienanteil zu hoch wird, wenn sich die Aktien besser entwickeln. Da Aktien üblicherweise riskanter sind als Anleihen, sollte das Portfolio neu ausgerichtet werden.

Manche scheuen eine internationale Diversifikation, weil sie Währungsverluste fürchten – zu Recht?

Obwohl der Schweizer Franken stetig aufgewertet hat, hat sich das Eingehen von Fremdwährungsrisiken durch Investitionen in globale Aktien in der Vergangenheit ausbezahlt. So hat der MSCI World per Ende Februar und in Franken gerechnet, über die vergangenen zehn Jahre 55 Prozent besser performt als der Schweizer Markt. Ein Grund ist eine bessere Sektor-Diversifikation. Der Swiss Performance Index hat einen defensiven Charakter und auch ein hohes Gewicht in Gesundheitstiteln, während es praktisch keine Technologietitel gibt. Wer global investiert, hat deutlich höhere Renditechancen.

Genügt dafür eine Diversifikation nach diversen Anlageklassen und nach wichtigen Märkten oder braucht es noch mehr?

Wer Obligationen, Immobilien und Aktien besitzt und sich dabei auf die Regionen USA, Europa und Asien fokussiert, ist bereits sehr gut diversifiziert. Professionelle Investorinnen und Investoren diversifizieren noch etwas stärker, setzen beispielsweise Schwerpunkte in thematische Aktien und erschliessen weitere Renditequellen wie z.B. Schwellenländeranleihen, Rohstoffe oder Private Equity.

Privatanlegerinnen und –anleger verfügen über begrenzte Mittel. Wie bekommen sie dennoch eine sinnvolle Diversifikation hin?

Privatinvestoren können einerseits selbstständig in ausgewählte aktiv oder passiv verwaltete Anlagefonds der Anlageklassen Aktien, Obligationen, Immobilien und allenfalls Edelmetalle investieren. Andererseits bieten sich sogenannte Portfolio- oder Strategiefonds an. Hier können Anlegerinnen und Anleger ihrem Risikoprofil ent­sprechend diversifiziert anlegen. Der Vorteil von Fonds ist, dass sich bereits kleine Beträge professionell verwalten lassen. Es ist wie immer empfehlenswert, vor der konkreten Geldanlage, das Gespräch mit der Kundenberaterin bzw. dem Kundenberater zu suchen.


Dieses Interview wurde erstmals in der Sendung «Geld» am 1. März 2024 auf Tele 1, Tele M1 und TVO ausgestrahlt.