Renditen von AT1-Anleihen fast auf Rekordniveau
Die vollständige Abschreibung der AT1-Anleihen der Credit Suisse sendete Schockwellen durch den Markt. Die Erholung verlief jedoch überraschend schnell und eröffnet nun attraktive Anlagemöglichkeiten, erklärt Daniel Björk.
Interview mit Daniel Björk
Nach der historischen Abschreibung der Additional-Tier-1-Anleihen (AT1), auch CoCo-Bonds genannt, der Credit Suisse herrschte auf dem CoCo-Markt Totengräberstimmung. Wie hat sich der Weltmarkt seitdem entwickelt?
Daniel Björk: Das Ereignis löste einen abrupten Abverkauf am Markt aus, ähnlich wie wir es in den ersten Quartalen 2016 und 2020 erlebt haben. Allerdings verharrt der Markt selten auf solchen Extremniveaus, weshalb sich die AT1-Anleihenpreise auch dieses Mal schnell erholten.
Woran liegt das?
Die Fundamentaldaten des Bankensektors in Kombination mit ungewöhnlich hohen Renditen ziehen in der Regel neues Anlegerinteresse auf sich und helfen dem Markt, schnell auf Erholungskurs zu kommen. Der durchschnittliche Credit Spread von AT1-Anleihen hat sich mittlerweile auf ein Niveau verengt, auf dem wieder neue AT1-Anleihen emittiert werden. Seit Juni wurden sieben neue AT1-Anleihen mit historisch hohen Coupons zwischen 8 und 9,5 Prozent ausgegeben. Darüber hinaus wurden elf AT1-Anleihen entweder zum ersten Call-Termin zurückgezahlt oder vom Emittenten zurückgekauft oder es sind eventuell Vorfinanzierungen für bevorstehende Rückzahlungen in der ersten Jahreshälfte 2024 erfolgt.
Ruft eine Bank die AT1-Anleihe nicht zum ersten Call-Termin ab, wird dies mit einem Abschlag auf den Bondpreis «bestraft». Wie sieht es diesbezüglich aus?
Das sogenannte Verlängerungsrisiko war bisher deutlich geringer als erwartet. Seit Jahresbeginn wurden 13 AT1-Anleihen zum ersten Kündigungstermin abgerufen und bloss eine AT1-Anleihe einer globalen Bank verlängert. Der Markt geht derzeit aber davon aus, dass nur ein Viertel aller AT1-Anleihen zum ersten Kündigungstermin zurückbezahlt und im Gegenzug 75 Prozent verlängert werden. Aus unserer Sicht preist der Markt ein zu grosses Verlängerungsrisiko ein, was auf eine interessante Marktchance hinweisen könnte.
Wie hat sich die Abschreibung von Credit Suisse auf die Rendite ausgewirkt? Preist der Markt seitdem höhere Renditen ein?
Ja, obwohl der durchschnittliche Credit Spread von AT1-Anleihen in EUR von den dramatischen Werten über 700 Basispunkten im März auf aktuell 560 Basispunkte gefallen ist, ist dieses Niveau unseres Erachtens immer noch attraktiv.
Wo liegen denn nun die Renditen für AT1-Bonds?
Die aktuelle Rendite von AT1-Anleihen in EUR beträgt derzeit durchschnittlich neun Prozent (Stand 3. Oktober 2023). Das ist nahe an den historischen Höchstwerten. Nur im Oktober 2022 und für ein paar Tage im März 2023 lagen die Renditen höher. Hinzuzufügen ist, dass die Rentabilität grosser europäischer Banken so hoch ist wie seit 15 Jahren nicht mehr und die Bilanzen deutlich stärker sind.
Je höher die Rendite, desto höher das Verlustrisiko – das trifft auch auf AT1 zu.
Aus meiner Sicht ist es entscheidend, dass man sich der Risiken bewusst ist und auch angemessen dafür entschädigt wird. Angesichts der historisch hohen Renditen in Kombination mit soliden Fundamentaldaten bezüglich Rentabilität und Solvenz der Emittenten bieten AT1-Anleihen derzeit einen guten Risikoausgleich.
Was ist mit dem Sekundärmarkt?
Die Liquidität am Sekundärmarkt war ebenfalls gut, wobei das gesamte Handelsvolumen seit Jahresbeginn um 35 Prozent höher ausfällt als im Vorjahreszeitraum. Entgegen der weit verbreiteten Auffassung ist der Sekundärmarkt auch in schwierigen Phasen mit vielen aktiven Handelspartnern relativ liquide geblieben.
Wie hat sich das Emissionsvolumen in den vergangenen Monaten entwickelt? Und gibt es geografische Abweichungen bei den Emittenten?
Etwas ungewöhnlich ist, dass wir mehr Emissionen neuer AT1-Anleihen in EUR als in USD beobachten. Der AT1-Markt ist stark auf USD ausgerichtet, wobei auf USD lautende AT1-Anleihen 60 Prozent des Handelsvolumens ausmachen, AT1-Anleihen in EUR hingegen nur 30 Prozent. Seit Beginn der Neuemissionen im Juni sind jedoch 60 Prozent der Emissionen in EUR mit einem Gesamtvolumen von EUR 3,5 Milliarden erfolgt. Nur 40 Prozent wurden in USD emittiert, was einem Gesamtvolumen von USD 2,5 Milliarden entspricht. Im Gegensatz dazu waren die Emissionen in GBP und CHF sehr begrenzt.
Das Hauptargument für den Kauf von Anteilen an einem CoCo-Fonds anstelle einer Anlage in eine einzelne AT1-Anleihe ist Diversifikation. Aber was noch?
Für kleinere Anleger ist die Diversifikation in einen CoCo-Fonds vorteilhafter als eine Direktinvestition. Die Mindeststückelung von AT1-Anleihen entspricht einem Franken-Gegenwert von rund CHF 200’000 gegenüber einem CoCo-Fonds mit einer Mindestinvestition von CHF 10’000. Eine Anlage in einen CoCo-Fonds ist auch aus Sicht der Währungsabsicherung von Vorteil, wenn ein Fonds währungsgesicherte Anteilsklassen in der gewünschten Währung anbietet. Wichtig ist, dass die Anleger und Anlegerinnen durch die Investition in einen CoCo-Fonds die gesamte Arbeit rund um die Überwachung der regulatorischen Entwicklungen, die Analyse und Auswahl der einzelnen Banken und AT1-Anleihen auslagern. Das kann sich spürbar auf den Anlageerfolg auswirken, da die Alpha-Möglichkeiten auf dem AT1-Anleihemarkt in der Vergangenheit beachtlich waren.